Der Blaue Salon Folge 12: „Wir haben auf Osteuropa durch eine russische Brille geschaut“
Shownotes
Ostausschuss der Salonkolumnisten, Folge 22: Der Klassikbetrieb als trojanisches Pferd – russische Kulturhegemonie: https://open.spotify.com/episode/48yLj8D56Bm7Dr6bsON4d5?si=gUsVfFWJTXO1mvlAz2NbIg Franziska Davies „Fifty Shades of Grautöne“: https://www.salonkolumnisten.com/fifty-shades-of-grautoene/
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00:00:08: Der Blaue Salon, ein Podcast der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.
00:00:13: Unsere Akademiemitglieder gewähren Einblicke in ihre Forschung und lassen sie hinter die Kulissen der Wissenschaft blicken.
00:00:18: Viel Freude beim Zuhören.
00:00:21: Herzlich willkommen im Blauen Salon der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.
00:00:26: Ich spreche heute mit Shama Shahadat.
00:00:29: Shama Shahadat ist Professorin für Slavistik an der Universität Tübingen.
00:00:34: Das heißt, sie beschäftigt sich mit Sprache und Kultur der slavischen Völker von Bulgarien bis Polen, von Tschechien bis Russland.
00:00:43: Das sind so die ungefähren Ausdehnung.
00:00:45: Außerdem ist sie ordentliches Mitglied der Heidelberg Akademie der Wissenschaften.
00:00:49: Herzlich willkommen, Frau Scharheitert.
00:00:51: Ja,
00:00:51: vielen Dank für die Einladung.
00:00:52: Herr Wolf.
00:00:53: Ich habe gerade gesprochen von den slavischen Völkern und Kulturen, enormen geografischen Ausdehnungen, also von Südosteuropa bis mal in die zentral-asiatische Steppe oder bis nach Sibirien sogar.
00:01:07: Aber wenn man sich so genauer in den Vorlesungsverzeichnissen der Slavistik umsieht, dann hat man doch den Eindruck, dass eigentlich Russland im Kern ihres Fachs.
00:01:17: Stimmt das so?
00:01:19: Ja, das stimmt so.
00:01:20: Wenn ich meine Generation, wir sind ausgebildet worden als Russistinnen im Wesentlichen und haben eine ganz stark Russozentrische Perspektive gehabt, muss man vielleicht sagen.
00:01:31: In der Slavistik ist es so, dass wir eine Hauptsprache meistens haben.
00:01:35: Das ist in sehr, sehr vielen Fällen russisch und eine zweite Sprache, nebensprache will ich gar nicht sagen, die wir eben auch noch lernen.
00:01:44: In meinem Fall war das polnisch und zunehmend ist auch ukrainisch dazu gekommen, ja und im Moment sind wir dabei uns alle so ein bisschen umzuorientieren.
00:01:53: Vielen Dank, dass Sie auch die zentral-asiatische Deppe erwähnt haben, weil tatsächlich was was im Moment im Zuge der Restrukturierung der Slamistik stattfindet, ist auch tatsächlich eine Hinwendung zu den post-Sovietischen Räumen und da sind dann auch auch Kulturen dabei und Literaturen, die eben gar nicht slavisch sind, wie zum Beispiel Kasachstan.
00:02:14: Es gibt Kolleginnen, die sich mit post-Sovietischen Nationalliteraturen beschäftigen, die eben nicht russisch sind, sondern kasachisch oder kirgistan und so weiter, die aber häufig auf russisch geschrieben wurden, natürlich, wenn man die Sowjetzeit betrachtet.
00:02:31: Welche Rolle spielt bei dieser Entwicklung von Russland weg, zu den post-Sovietischen Staaten, zu anderen Staaten in Osteuropa, vielleicht besonders zu Ukraine?
00:02:42: Welche Rolle spielt da der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, der in der Jahr-Zwanzig-Zwanzig-eskaliert ist?
00:02:49: Eine massive Rolle, würde ich sagen.
00:02:52: Manche haben schon im Jahr-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Zwanzig-Z.
00:02:59: Wir blicken oder haben geblickt auf die slavischen Länder häufig durch eine russische Brille.
00:03:06: Das gilt nicht nur für die Slavistinnen, sondern auch für die Osteuropa-Historikerinnen.
00:03:11: Wobei es immer Leute gab, die sich auch mit den anderen Filogen gehen oder mit den anderen Slavin beschäftigt haben.
00:03:16: Aber seit dem Jahr zwanzig ist es nicht mehr zu übersehen und es gibt große Debatten darüber, wie die Slavistik sich umstrukturiert.
00:03:26: Stichwort Decolonisierung der Slavistik oder der aus der Europastudien vor allem.
00:03:30: Darf ich da kurz nachdenken, was bedeutet der Begriff Decolonisierung in diesem Konzept?
00:03:35: Aus einer postkolonialen Perspektive darauf zu schauen.
00:03:38: Es gibt ja auch die Debatte darüber.
00:03:40: Dass Russland kein Kolonisierer ist, weil die ganzen Räume direkt daneben sind, also anders als England zum Beispiel, dass natürlich ein Meer dazwischen hatte oder Frankreich oder Spanien bei ihren Kolonien, aber in Russland sind das eben... grenzende Kolonien.
00:03:56: Und das darf man nicht vergessen.
00:03:59: Und diesen Blick auf Russland auf die russische Kultur als eine imperiale kolonisierende Macht, der wird verstärkt eingenommen inzwischen.
00:04:08: Also es ist nicht so, dass es keiner gemerkt hätte vorher, also ganz und gar nicht.
00:04:12: Aber man hat vielleicht nicht so stark darauf geachtet, aber dieser wirklich sehr ungereichte Krieg im Moment hat natürlich viele Emotionen freigesetzt, die sich auch wissenschaftlich niederschlagen.
00:04:23: Was lernen wir denn über die Staaten, über die wir jetzt ganz anders nachdenken?
00:04:29: Also, was man erst mal lernt, ist die Sprache, was ganz wesentlich ist.
00:04:34: Weil wir können viel über russisch rezipieren oder über englisch, aber es ist schon zentral natürlich die Sprache zu können, damit sie wirklich verstehen, was vor sich geht.
00:04:45: Mein Bereich ist jetzt Literatur und Kultur.
00:04:47: Das heißt, ich beschäftige mich mit literarischen Texten, mit Filmen, mit Fotografie auch.
00:04:51: Eine große Debatte hat angefangen direkt nach Beginn des Krieges.
00:04:55: Welcher Rolle Literatur überhaupt spielt?
00:04:57: Da gibt es die auf der einen Seite, diejenigen, die sagen, die russische Literatur hat, hat den Krieg mit vorbereitet, hat diese imperiale Gestik oder auch die Opferbereitschaft des Volkes, das sich in den Krieg begibt, um Russland noch größer zu machen.
00:05:11: Diese Literatur hat das vorbereitet, dann gibt es die auf der anderen Seite, die sagen... Was kann denn die russische Literatur dazu?
00:05:17: Literatur hat gar nicht so eine Macht.
00:05:19: Und ich würde behaupten, dass die Literatur oder Kultur als Softpower eine Ungeheure macht hat.
00:05:25: Das sieht man ja auch an der Russlandbegeisterung vieler Deutscher.
00:05:28: Können Sie da ein konkretes Beispiel nennen?
00:05:31: Ja, die Debatte über Annanit Repko zum Beispiel, die ja eng verbandelt war mit Putin.
00:05:37: Und als es darum ging, ob eine Treppe wieder auftreten darf und dann ist sie in Berlin wieder aufgetreten.
00:05:42: Und da gab es auch sehr viele Proteste darüber.
00:05:44: Es gibt einen ganz tollen Podcast, den ich Ihnen hier an der Stelle empfehlen möchte, speziell zur russischen Kultur.
00:05:49: Und zwar heißt der Ost-Ausschuss der Salon-Kolumnisten, das ist zum Beispiel Jan-Klas Beren, aus der Europa-Historiker Franziska Davis, auch Europa-Historikerin.
00:05:58: Und da gibt es eine Sendung aus dem Jahr zwanzig.
00:06:04: und der beschäftigt sich mit der mit der russischen Kultur, also mit der Wirkung, die die russische Kultur auch auf das Mindset westeuropäischer Intellektueller und Künstlerinnen hat.
00:06:15: Also Anna Netepko tritt quasi als Botschafterin Russlands.
00:06:21: Ja, sie tritt ja, sie hat sich glaube ich quälen langsam.
00:06:25: dann doch distanziert vom russischen Regime, aber es hat ein bisschen gedauert, soweit ich mich erinnere.
00:06:29: Und so ganz von Herzen war es auch nicht.
00:06:32: Und das wird halt kritisiert von vielen.
00:06:36: Oder es gab eine ukrainische Künstlerin.
00:06:40: Oder eine Schriftstellerin, die heißt Victoria Amelina.
00:06:43: Vielleicht haben sie das auch mitbekommen.
00:06:45: Die ist im Kramatorsken einer Pizzeria, wo sie mit anderen Schriftstellerinnen aus Südamerika war.
00:06:53: Ist in Rakete eingeschlagen und sie ist gestorben daran.
00:06:57: Und die hat einen Artikel geschrieben, der heißt Cancel Culture oder Executive Culture.
00:07:02: Und sie beschreibt in diesem Artikel, dass häufig den Ukrainerinnen oder auch denen, die auf der Seite der Ukraine stehen, vorgeworfen wird, dass sie die russische Kultur kenzeln.
00:07:12: Und sie sagt auf der einen Seite, dieses Kenz ist viel... viel weniger schlimm als das Ermorden der ukrainischen Künstler und Künstlerinnen, was nämlich auf der anderen Seite passiert.
00:07:22: Also die russische Balletttänzerin, die keine Lust mehr hat, in Petersburg zu tanzen, die jetzt in Amsterdam tanzt, ja, also sie kann weitertanzen.
00:07:30: Aber ein ukrainischer Balletttänzer ist gestorben in diesem Krieg und der wird überhaupt nirgendwo mehr tanzen, also wie deine Amsterdam noch, okay, sie bezieht sich dabei auch auf eine, auf neunztags, sieben und dreißig.
00:07:41: Eine Generation, die nennt man executed Renaissance oder ermordete Wiedergeburt.
00:07:48: Das sind Künstler und Künstlerinnen, Schriftstöder, Schriftstöder, Theaterleute usw.
00:07:52: Intellektuelle, die in den zwanziger Jahren nach der Revolution versucht haben, die ukrainische Kultur wiederzubeleben, auseinandersetzung mit den sozialistischen Ideen.
00:08:02: Und die sind in den dreißiger Jahren, ist der Großteil von ihnen, hingerichtet worden.
00:08:05: Also das ist die ermordete Wiedergeburt.
00:08:07: Und sie sagt, jetzt geht es weiter.
00:08:09: Und sie ist ja tatsächlich auch noch ein Opfer geworden.
00:08:11: Sie ist auch in diesem Krieg ermordet worden.
00:08:13: Das sind ja auch in gewisser Weise Aktivisten, politische Aktivisten.
00:08:17: Wenn sie als Lawistin diese Leute jetzt auch in den Mittelpunkt ihrer Arbeit drücken, werden sie dann nicht auch irgendwo selber zur Aktivistin.
00:08:28: Das ist eine gute Frage, die Sie stellen.
00:08:30: Also ganz kurz zurück zur Amiglina, die gestorben ist.
00:08:34: Die hat diese Eigentlich-Schriftstellerin und sie hat aber Dokumente über Kriegsverbrechen gesammelt.
00:08:40: Falls jemals es gelingen wird, die russischen Täter nach Den Haag zu bringen, dass man genug Material hat.
00:08:48: Also die ukrainische Schriftstellerin ist ein ukrainischer Aktivistin geworden.
00:08:52: Und das ist eine Frage, glaube ich, die uns alle umtreibt, weil natürlich Das ist nicht ganz, sagen wir mal, neutral, was wir machen.
00:09:02: Ja, also es gibt einen schönen Artikel von Franziska Davis, die ich gerade schon erwähnt hatte, heißt Fifty Shades auf Grautöne.
00:09:11: Und darin schreibt sie, in diesem Krieg gibt es keine Grautöne, da gibt es Schwarz und Weiß, es gibt den Täter und es gibt die Opfer.
00:09:16: Oder die Täter und es gibt die Opfer.
00:09:18: Und dem würde ich zustimmen.
00:09:19: Und sobald man natürlich so eine Äußerung macht, wird man auch... aktivistisch.
00:09:23: Was zum Beispiel mein Kollege Klaus Gäst war, der aus Europa historiker in Tübingen und ich versuchen, ist durch Aufklärung, also durch Wissensvermittlung wissenschaftlich auch zu bleiben.
00:09:34: Also in eine breitere Öffentlichkeit Wissen zu bringen über, über Osteuropa, über Russland, über die Ukraine.
00:09:43: auch über Polen oder die Baltischen Länder.
00:09:45: Wir haben eine Reihe in Tübingen angefangen.
00:09:48: Die heißt Brennpunkt Ukraine, das sind Vorträge, das sind aber auch Konzerte, Ausstellungen, Diskussionen.
00:09:55: Wir haben da sehr prominente Vertreter.
00:10:00: Innen eingeladen, also es war zum Beispiel Karl Schlögel war da, der ja dieses Jahr den Friedenspreis des deutschen Buchhandels bekommt.
00:10:06: Carlo Masala, der Militärsexperte, der ja auch in allen Talkshows und Podcasts ist, war zum Beispiel da.
00:10:15: Es sind aber auch natürlich jüngere Nachwuchswissenschaftler, Wissenschaftlerinnen.
00:10:18: Claudia Date ist häufig da, Claudia Date ist eigentlich fast die erste Übersetzerin auch.
00:10:23: aus dem ukrainischen und vermittleren ukrainischer Literatur ist sehr prominent.
00:10:27: Und wir haben auch ein großes Publikum, wobei man natürlich sagen muss, dass es jetzt nach drei Jahren Krieg schon weniger ist als im ersten halben Jahr.
00:10:36: Genau, um zu Ihrer Frage zurückzukommen.
00:10:37: Ich glaube, wir sind ein bisschen aktivistisch, weil wir uns, weil wir Position beziehen, aber so zu tun, als wären wir als Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen neutral, ist glaube ich verlogen.
00:10:47: Aber wir versuchen dem natürlich, also nicht reinen Aktivismus zu betreiben, sondern sondern tatsächlich Wissen zu vermitteln und das machen wir natürlich für unsere Lehrer auch in unserer Forschung.
00:10:58: Aus all dem, was Sie bis jetzt gesagt haben, klingt für mich so ein bisschen an, dass dieser Krieg so grausam er auch ist, in gewisser Weise auch eine Chance für Ihr Fach ist, für die Slavistik.
00:11:11: Wie betrachten Sie diese Entwicklung, dass ein Fach so stark vom tagespolitischen Geschehen eigentlich abhängt, ist das eine Gefahr auch für die Slavistik?
00:11:21: Ich glaube, dass es für die Slavistik schon immer so ist.
00:11:24: Also, als ich angefangen habe zu studieren, da waren, also in den nachtziger Jahren, viele der Studierenden hatten, waren Kommunisten, also da waren sehr links zumindest und haben das aus politischen Gründen studiert.
00:11:36: Dann kamen Peres Träuker, da hatten wir einen Riesenboom, dann kamen die Jugoslarienkriege, dann haben alle Leute Südslavistik gemacht, oder nicht alle, aber viele Südslavistik ist bis heute übrigens, also... Bosnisch, Kroatisch, Serbisch, Montenegrinisch, mehr oder weniger eine Sprache ist bis heute die populärste Sprache bei uns am Seminar zumindest nach Russisch.
00:11:56: Also das hat während Tschechisch zum Beispiel passiert nicht viel, das studieren nicht so viele, ja also wir sind politisch immer schon abhängig und ja ich würde sagen das ist eine große Chance, das ist eine große Chance für die kleinen Literaturen, also ein Thema mit dem ich mich auch beschäftige.
00:12:12: Aufmerksamkeit zu bekommen, weil die Ukraine hat ja wahnsinnig viele Aufmerksamkeit seit dieser Krieg ist.
00:12:17: Die Frage ist natürlich, was der Preis dafür ist.
00:12:19: Für mich persönlich, also ich beschäftige mich schon länger mit der Ukraine seit dem Jahr zwei Tausend Neun haben wir Projekte, auch mit ukrainischen Partnerunis, aber nicht so intensiv und ich habe erst seit zweiundzwanzig angefangen, ukrainisch zu lernen und für mich hat sich so eine ganze neue Welt eröffnet eigentlich.
00:12:35: Also für mich selber ist das toll, aber man will das natürlich nicht um diesen Preis.
00:12:41: Geht es auch darum, diese Welt in gewisser Weise zu schützen vor einer Russifizierung, die sollte Russland diesen Krieg doch noch gewinnen, ja vermutlich abzusehen ist?
00:12:54: Absolut, das Pudinsziel war ja eigentlich eine Ent-Ukrainisierung.
00:12:59: Und was passiert ist, ist eine Ent-Russifizierung, also muss ganz radikal zu sagen.
00:13:04: Es werden weniger Bücher aus dem Russischen übersetzt, also es werden sehr viele Bücher aus dem ukrainischen übersetzt, wenn man sich die Übersetzungslandschaft zum Beispiel anguckt.
00:13:12: Es sind sehr viel mehr Lesungen, auch mit ukrainischen Autoren und Autorinnen oder Intellektuellen als mit Russischen.
00:13:19: Als russische Künstler haben es schwer.
00:13:20: Und es gibt auch Kollegen, die sagen, dieser Krieg ist eine Katastrophe für die russische Kultur.
00:13:25: Sie haben damit recht.
00:13:28: Ich würde aber sagen, es ist vor allem eine Katastrophe auch für ukrainische Menschen, die in diesem Krieg getötet werden.
00:13:34: Und auch Russen natürlich, die jungen Soldaten, die in den Krieg geschickt werden.
00:13:38: Also das ist die eigentliche Katastrophe, wenn man menschlich darüber nachdenkt.
00:13:43: Aber für die Kultur, ja, natürlich geht darum, sie zu schützen.
00:13:46: Es gibt auch verschiedene Projekte.
00:13:48: Die auch übrigens die Belarusische Literatur fordern im Moment, weil Belarus ja auch in einer prekären Situation ist.
00:13:55: Wird es für ihr Fach noch ein Back to Normal geben oder sind diese Entwicklungen unumkehrbar?
00:14:01: Ich glaube im Moment nicht.
00:14:02: Also es ist auch sehr unterschiedlich natürlich, aber wenn man zum Beispiel darüber nachdenkt... Vor dem Krieg haben, ich weiß nicht, wie viele Unis haben ukrainische Angebote.
00:14:11: Zwei, drei, ich habe die Zahlen nicht mehr ganz im Kopf.
00:14:14: Jetzt sind es, glaube ich, vierzehn Unis, wo man ukrainisch lernen kann.
00:14:19: Und ich glaube nicht, dass das alles wieder eingestellt wird.
00:14:21: Aber ich glaube, das war eine ganz große Warnung, also für uns auch, dass man nicht nur durch eine imperiale Kultur auf alle anderen Kulturen schaut.
00:14:31: Stefan Twardoch, ein moment sehr populärer polnischer Autor, der auch sehr viel humanitäre Hilfe leistet.
00:14:38: Für die Ukraine.
00:14:39: Der sagt, der sagt, Deutsche guckt uns an, fragt uns Polen.
00:14:44: Wir wissen, wie es ist, unter russischer Herrschaft zu leben, lernt bei uns.
00:14:49: Und ich glaube, dass wir das nicht vergessen, also zumindest die nächsten Jahre.
00:14:53: Zum Schluss noch ganz persönlich als Wissenschaftlerin, die mitten im Studium dieser Ereignisse in gewisser Weise auch gefangen ist, erleben Sie dass sie zum Beispiel im Rahmen ihrer Arbeit Anfeindungen erhalten, dass es Streit gibt unter ukrainischen russischen Kollegen.
00:15:15: Wie sieht das da auf einer persönlichen Ebene
00:15:17: aus?
00:15:18: Bei uns im Seminar nicht.
00:15:20: Wir haben russische Mitarbeiter und ukrainische und die verstehen sich gut.
00:15:24: Sie sind alle sehr höflich.
00:15:26: Aber wir haben auch keine Putin-Anhänger bei uns natürlich.
00:15:30: Anfeindungen, also ich persönlich bin nur einmal so ein bisschen nach reingeraten mit einer Ausstellung, die wir in Tübingen organisiert haben.
00:15:37: Aber im Prinzip sind die aus Europa Historiker und Historikerinnen, die sind viel, viel stärker davon betroffen, weil die viel stärker fürs Tagesgeschehen da sind.
00:15:47: Bei Literatur denkt man sich auch.
00:15:49: Ja, Literatur macht nicht so viel aus, aber wenn Historiker, Historikerin oder Politikwissenschaftler sich äußern, ist es schon etwas rabiater und die haben auch, glaube ich, wirklich damit zu kämpfen.
00:16:02: Und wie gesagt, auch unsere Studierenden, das gibt diese Konflikte nicht.
00:16:07: Also... Und viele unserer russisch-stemmigen oder Erhaltkommenssprecherinnen finden das auch gut, was über die Ukraine zu lernen.
00:16:15: Ich biete nächste Semester ein Seminar an, das heißt, das russische neunzehnte Jahrhundert neu gelesen.
00:16:21: Und ich möchte eben klassische russische Literatur aus einer gegenwärtigen Perspektive lesen und imperialistische.
00:16:29: Tendenz ins Aufzeigen und einfach gegen den Strich, also gegen den Strich lesen.
00:16:34: Und das Interessante ist, dass sich kaum jemand bisher für dieses Seminar angemeldet hat.
00:16:39: Also Russland ist auch nicht immer so superpopulär im Moment einfach, obwohl unsere Studierenden zum größten Teil Russisch machen.
00:16:48: Frau Schaldert, vielen Dank für diese Einblicke in ein Fach, das sich im Umbruch befindet und vielen Dank für das Interessante Gespräch.
00:16:55: Ja, vielen Dank gegen für die Einladung.
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